Geschichte unserer Namensgeberin, der Sozialreformerin Charlotte Paulsen

Charlotte Paulsen wuchs auf als viertes von 14 Kindern des wohlhabenden Bankiers John Thornton (1764–1835) und seiner zweiten Frau Maria Elisabeth Grupen. Die Familie Thornton war englischer Herkunft und Charlotte wurde weitgehend von Gouvernanten erzogen und erlernte nach den Erfordernissen ihres Standes Englisch, Französisch und gesellschaftliches Benehmen. Charlotte selbst sagte einmal, sie sei zu einer „Anstandsfigur“ erzogen worden. In ihrer Kindheit wurden ihr der Anblick von Armut und Elend erspart; so erfuhr sie auch nicht, dass über die Hälfte aller Hamburger am Rande des Existenzminimums lebten.

Nachdem die Franzosen in Hamburg eingezogen waren, floh die Familie Thornton zu Verwandten nach London. Ihren Aufenthalt in London bezeichnete Charlotte rückblickend als Glanzzeit ihres Lebens. Charlotte war beliebt und wurde wegen ihrer Schönheit umschwärmt.

Als die Familie 1814 nach Hamburg zurückkehrte, hatten sich die Lebensumstände stark verändert. Aufgrund finanzieller Nöte (welche zum größten Teil auf die Kontinentalsperre zurückzuführen waren) wurde Charlotte kurz vor ihrem 17. Geburtstag mit dem zwanzig Jahre älteren Makler Andreas Christian Paulsen verheiratet. Am 1. Oktober 1815 wurde das einzige Kind dieser Konvenienzehe geboren, die Tochter Elisabeth. Andreas Paulsen bot Charlotte materielle Sicherheit und war auch sonst ein feinfühliger und toleranter Ehemann. Charlotte wurde eine liebevolle Mutter, die ihre Tochter persönlich unterrichtete und sich selbst weiterbildete. Sie führte ein harmonisches Familienleben.

Nachdem die 1848er Revolution gescheitert war, beschlossen Charlotte Paulsen gemeinsam mit Emilie Wüstenfeld, durch bewusste Kindererziehung eine neue, freie Generation heranzubilden.

Außerdem gründete Charlotte Paulsen im März 1849 den Frauenverein für Armenpflege. Sie sammelte bei den wohlhabenden Hamburgern Geld, ermöglichte armen Paaren die Eheschließung, versorgte Kranke und Wöchnerinnen mit Suppe und vermittelte Arbeitsstellen.

Da es in Hamburg damals noch keine allgemeine Schulpflicht gab, wollten die Frauen eine vereinseigene Schule gründen, damit auch den armen Kindern die Möglichkeit gegeben war, eine Schule zu besuchen. So unterrichteten die Frauen Gruppen von über 20 Kindern, was allerdings kurze Zeit später aufgrund der fehlenden Lehrkonzession verboten wurde. Um den Unterricht fortführen zu können, reduzierten sie die Gruppen auf 12 Kinder und unterrichteten sie in privaten Wohnungen, die Wohlhabende bereitgestellt hatten. Nun wurde den Frauen vorgeworfen, dass sie in den Schulkursen keinen Religionsunterricht erteilen würden, worauf sie sich mit dem Hinweis auf ihr Grundprinzip der konfessionellen Unabhängigkeit wehrten. Nach langem Hin und Her gelang es den Frauen, eine Lehrerin mit der erforderlichen Konzession zu finden, um eine Schule zu eröffnen. Nun gab es keinen Einwand mehr. 1856 wurde die Schule mit 60 Kindern „An der Fuhlentwiete“ neu eröffnet.

Charlotte Paulsen arbeitete weiterhin mit ganzer Kraft für ihren Armenverein, setzte sich aber gleichzeitig für konfessionelle und politische Freiheit ein und war eine Verfechterin der Frauenemanzipation. Nach dem Tod ihres Mannes waren ihre finanzielle Mittel erschöpft. Sie lebte einige Zeit mit den Kindern in der Bewahranstalt, bis sie in eine kleine Wohnung an der Mundsburg zog. Einfach gekleidet streifte sie fast täglich durch die Straßen, um den Armen und anderen Bedürftigen zu helfen. So ging sie als „Mutter Paulsen“ in die Hamburger Erinnerung ein. Nach ihrem Tod 1862 wurde sie auf dem St. Gertrudenkirchhof in einem Armensarg beerdigt.

Charlotte Paulsens größter Wunsch, eine gemeinsame Erziehungsanstalt für Kleinkinder und Schüler zu schaffen, konnte erst nach ihrem Tod erfüllt werden: Am 3. November 1866 wurde diese Anstalt eröffnet. Als Erinnerung und Zeichnen der Verehrung erhielt dieses Haus den Namen der Gründerin des Frauenvereins „Paulsenstift“. In dieser Tradition trägt heute das Charlotte-Paulsen-Gymnasium in Hamburg-Wandsbek ihren Namen.